Samstag, 22. August 2015

August Schmidt, Führer durch das Panorama des Brandes von Rom unter dem Kaiser Nero.

Illustration als beigeklebtes Faltblatt (20,8 × 87,8 cm) nach einer Zeichnung von Georg Koch aus: August Schmidt, Führer durch das Panorama des Brandes von Rom unter dem Kaiser Nero, Berlin 1890. Mit einer Illustration von G. Koch. Verlag von Emil Dominik, Verlag für Kunst und Literatur.
Die Skizze von Georg Koch gibt nur die gemalte Architektur ohne Mensch wieder. Nicht einmal Nero, der rechts einsam auf einer Terrasse stand, ist zu sehen. Die Zeichnung ist nicht signiert. Der Hinweis auf G. Koch befindet sich lediglich auf dem Umschlag des Führers und nicht auf dem Titelblatt.

Inhalts-Übersicht
Einleitung (S. 5-9)
Beschreibung der Aussenseite des Panoramagebäudes (S. 9-13)
Das Panorama (S. 13-14)
Rom zur Zeit des Kaisers Nero (S. 14-16)
Lucius Domitius Nero (S. 16-18)
Geschichtliche Darstellung des Brandes von Rom (S. 19-21)
Beschreibung des Rundbildes (S. 21-24)
Die beiden ersten Kapitel, so schreibt August Schmidt selbst auf S. 13 (Anmerkung): "lehnen sich ganz und zum Theil mit wörtlicher Aneignung an die vorjährigen "Führer durch das Pergamon-Panorama u. s. w." von den Herren Dr. Ernst Fabricius und Ludwig Pietsch verfassten Abhandlungen über die Idee und die äussere Gestalt des Panoramagebäudes an." Der vollständige Text der beiden Kapitel von Schmidt, die sich direkt auf das Panorama-Gemälde von Max und Georg Koch beziehen, folgt hier:   

Das Panorama.
   Durch Seitengänge zwischen der Wand der Vorhalle und der Cellawand gelangt man in die dunkeln in gleicher Ebene fortlautenden Gänge, welche in den hellen Raum ausmünden, wo sich im gewaltigen Halbrunde das Kolossalbild des Brandes von Rom unter dem Kaiser Nero den Blicken darbietet. Die ausführenden Künstler Max und Georg Koch waren bestrebt gewesen, mit gewissenhafter Benutzung der Forschungen von Bunsen und Canina und nach Studien, die sie an Ort und Stelle anstellten, ein Bild des alten Rom zur Zeit des Kaisers Nero hervorzuzaubern, welches malerische Wirkung mit archäologischer Genauigkeit nach Möglichkeit zu verbinden suchte, und nach den Schilderungen gleichzeitiger Schriftsteller, namentlich des Tacitus, den Brand der Stadt mit historischer Treue zur Anschauung zu bringen, ohne der Freiheit künstlerischer Behandlung und der schöpferischen Thätigkeit der Fantasie, insbesondere an den Stellen, wo uns die Ueberlieferung im Stiche lässt, ihr gutes Recht zu verkümmern. Den genannten Künstlern standen die Maler Wilhelm Herwarth, Geza Mirkowsky und Richard Hellgrewe bei der Ausführung des Werkes mit ihrem bewährten Talente zur Seite, und auch der Landschafts- und Architecturmaler Colmar Schmidt und der Baumeister Otto Schulze haben namentlich bei der Construction der Gebäude durch thätige Mitwirkung Beihilfe geleistet. In überraschender Weise ist den vereinten Bemühungen der Künstler das Werk gelungen. Das Abbild Roms aus dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit breitet sich in der vollen Pracht seiner entschwundenen Herrlichkeit auf der Leinewand des Halbpanoramas vor unseren Augen aus.

Beschreibung des Rundbildes.
   Das Panorama schildert das Schauspiel des Brandes von Rom in dem Theil der Stadt, welcher sich zwischen dem Forum Romanum, dem Capitol, dem Palatin und dem Tiberfluss ausdehnt. Der Standpunkt des Beschauers ist auf der Höhe der Galerie an der Nordseite des Circus maximus angenommen. Der Tag nach der Unglücksnacht, in welcher die Feuersbrunst auskam, ist hell angebrochen. Das kühle Licht der Morgenfrühe beleuchtet die Strassen, Häuser und die durch die Nachricht des Brandes aufgeschreckte Bevölkerung Roms. Rechts erhebt sich in Terrassen der palatinische Berg mit den Kaiserpalästen, der von dem Brande noch nicht berührt ist. Eine breite, mit Sphinxen geschmückte Freitreppe, auf welcher gefangene Christen emporgeschleppt werden, führt zu dem Vorhofe eines gewölbten Thores, das zwei mit Erzstandbildern gekrönte Säulen trägt. Links von dem Hofraum in einer luftigen von Karyatiden getragenen Halle, die von dem Palaste des Kaisers bis an den Abhang des Berges herantritt, ist eine schaubegierige Menge von Hofbeamten und Dienern versammelt. Kaiser Nero steht auf dem flachen Dache der Halle, die Arme auf die Balustrade derselben stützend und blickt auf die Feuersbrunst, welche unter ihm im Thale des sogenannten Velabrum und auf dem Forum Boarium wüthet. Rechts von dem Palaste des Kaisers auf hoher Terrasse steht, zum Theil in Reih und Glied geordnet, eine Abtheilung von Prätorianern, ebenfalls nach dem Brand ausspähend. Eine von Menschen belebte Treppe führt zu dem vom Kaiser Augustus erbauten Apollotempel und der Bibliothek empor. Ueberall auf dem Palatin fesselt eine grandiose Prachtarchitektur den Blick des Beschauers. Ragende Palastzinnen, Tempel in allen Gestalten, viereckige Thürme, über die Dächer emporsteigend, Obelisken und die Wipfel von Pinien und Cypressen aus lachenden Gärten sich zwischen den Bauwerken erhebend, begrenzen auf dem Palatin rechts den Hintergrund des Bildes. Die Höfe und Hallen, Treppen und Terrassen sind von lebhaft bewegten Menschengruppen erfüllt. In einer offen mit Rosen bekränzten Säulenhalle rechts scheint ein Trinkgelage abgehalten zu werden. Sklaven mischen den Wein, andere tragen Weinkrüge fort, und wieder andere treiben verliebten Scherz mit üppigen, halbnackten Frauengestalten.
   Am Fusse des Palatin führt eine Strasse, die jetzt via di S. Teodoro heisst, zwischen Gärten und halb eingestürzten Häusern, halb rechts in die Tiefe des Bildes gehend, nach dem Forum Romanum, dessen Prachtgebäude, Säulen und Statuen von einem lodernden Feuermeer umhüllt sind. Dichtes Rauchgewölk, in welchen ein den Flammen entsprühender Funkenregen blitzt, ist über dem Forum gelagert, auf dem während der Zeit der Republik die Volksversammlungen abgehalten und die wichtigsten Beschlüsse gefasst wurden. Deutlich zeigt sich hinter der sogenannten Curia Julia am Ende der Häuserflucht auf der rechten Seite der Strasse bei ihrer Einmündung in das Forum der Tempel des Castor und Pollux, dessen Erbauung wahrscheinlich in die Zeiten der Kaiser Tiberius und Caligula fällt. Dem Tempel gegenüber auf der linken Seite der Strassenausmündung erhebt sich die Basilica Julia, die mit marmornen Bildwerken geschmückte Bogenreihe ihrer hinteren Frontseite dem Beschauer zuwendend.
   In der Strasse sind Schaarwächter mit dem Löschen und Abreissen brennender Gebäude beschäftigt. Todte bedecken den Boden. Unweit des Palatin neben einer wohl erhaltenen, von Palmen und Cypressen überragten Gartenanlage, erhebt sich ein zierlicher, von Säulen umkränzter Rundtempel.
   Links von dem Forum Romanum in dem mittleren Theile des Rundbildes ragt das Capitol empor, welches steil ansteigend von der Seite des tarpejischen Felsens erblickt wird. Eine schmale Treppe steigt an steilem Mauerwerk zu der Höhe des Capitols empor, wo sich der prachtvolle Tempel des kapitolinischen Jupiter erhebt, dessen mit vergoldeten Bildwerken geschmücktes Giebelfeld und dorische Säulenhalle von dem Wiederschein der brennenden Gebäude des Forums roth beleuchtet ist. In der weiten Halle des Tempels wurde das Volk bei Triumphen gespeist. Eherne Rossegespanne schmücken das Dach derselben. In den bürgerlichen Unruhen war der alte von den Tarquiniern erbaute Tempel in Flammen aufgegangen und derselbe darauf von Sulla in seiner früheren Gestalt und in genauer Nachahmung des alten Heiligthums prachtvoller und aus kostbarem Material wieder erbaut worden. Rechts von den Tempeln und Hallen des mauerumgürteten Capitols, das durch einen schmalen Sattel mit dem Burgberge verbunden ist, werden die Gebäude der Burg sichtbar.
   Am Nordwestende des Forums erhebt sich der Tempel des Saturnus, hinter welchem am Bergeshange mit massiven Bogenhallen aufsteigend das Schatzhaus und Staatsarchiv (aerarium et tabellarium) emporstrebt.
   Zwischen dem Capitol und dem Tiberufer, im Hintergrunde das Marsfeld verdeckend, ragt das Prachtgebäude des theatrum Marcelli empor, das dem Kaiser August seinen Ursprung verdankt. Lings davon weiter hinter und näher dem Tiberufer wird das theatrum Balbi sichtbar.
   In dem Mittel- und Vordergrunde des Bildes, die Thalniederung ausfüllend, welche vom Capitol, dem Palatin und dem Tiber eingeschlossen wird, breitet sich die von einem Gewirr von engen Strassen und Gassen durchkreuzte Häusermasse des sogenannten Velabrum und Forum Boarium aus. Auch in diesem Theile der Stadt, der vorzugsweise von kleineren Leuten bewohnt wird, wüthet der verheerende Brand. Offene Markthallen, die mit schönen Bogenstellungen breite Höfe umfassen, stattliche Börsengebäude, die gigantischen Häuserquadrate von Fabriken und Miethskasernen, noch überragt von den gewaltigen Resten der alten Mauer des Servius Tullius, stehen gedrängt zwischen niedrigen Privathäusern, Verkaufsgewölben, Werkstätten, Gastwirthschaften und Schenken, dem Beschauer eine lebendige Anschauung von dem Aussehen der alten Stadttheile in Rom gewährend. Kleine, schmucke Gärtchen leuchten mit smaragdgrünem Schmelze zwischen den Steinmauern der Häuser hervor. Die Strassen sind von fliehenden Volksgruppen erfüllt; einige erheben die Hände betend zu den Heiligthümern der Götter, andere blicken ängstlich von den flachen Dächern und aus den Thüren der Häuser nach der Brandstätte. Aus der Gartenthür einer Weinwirthschaft im Vordergrunde des Bildes schaut ein Gast erschrocken auf die Strasse hinaus. Links davon auf dem flachen Dache eines Hauses scheint sich eine Gesellschaft soeben von einem Gelage erhoben zu haben. Heerden von Vieh flüchten durch die Thore und Strassen.
   Auch die breite Uferstrasse am Tiber, welche der Krümmung des Flusses folgend, sich im Vordergrunde bis zum Tempel der Fortuna virilis (jetzt S. Maria Egiziaca) und dem Rundtempel des Hercules victor, unweit des Hafenmarktes (emporium) erstreckt, ist mit einer hastig durcheinander eilenden Volksmenge bedeckt. Auf der Tiberinsel erhebt sich mit Tempeln, Prachtgebäuden, Obelisken und Statuen das Heiligthum des Aeskulap. Die Brücken, welche zur Tiberinsel führen, sind von Fuhrwerken, Reitern und Fussgängern belebt. Barken und Nachen durchschneiden den Spiegel des Stromes. Ueber die stattliche Aemiliusbrücke, welche südlich von der Tiberinsel, das linke mit dem rechten Tiberufer verbindend, ihre Quaderbögen über das gelblich-trübe Wasser des Flusses wölbt, eilt ein Gewühl von Flüchtigen nach dem von dem Brande noch unberührten Stadttheile am rechten Ufer, das ebenfalls von einer hastig bewegten Menschenmenge belebt ist. Zwischen dem Strom und dem mit lachendem Grün bekleideten Höhenzuge des mons Janiculus dehnt sich der Stadttheil aus, welcher damals Transtiberina genannt wurde und jetzt Trastevere heisst. Der blaue Himmel eines heiteren Junimorgens, durch das düstere Rauchgewölk hervorschimmernd, das den Brandstätten entsteigt, wölbt sich über der bei ihrem Untergange noch schönen Stadt.

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