Dienstag, 13. September 2016

Mosaikdecoration für die deutsche Abtheilung der Kunstgewerbe-Halle der pariser Weltausstellung


In der Illustrirten Zeitung vom 31. Mai 1900, Nr. 2970, S. 805, erschien ein Artikel von "Fd.", der hier vollständig wiedergegeben ist, mit den drei gezeigten Illustrationen, auf die im Text eingegangen wird:

Mosaikdecoration für die deutsche Abtheilung der Kunstgewerbe-Halle der pariser Weltausstellung. Entworfen von Max Koch, ausgeführt von Puhl u. Wagner.
   Längst schon war die Beschickung der pariser Weltausstellung durch das deutsche Kunsthandwerk sorgsam vorbereitet und geordnet, als man fast in letzter Stunde noch der ihm zugewiesenen Abtheilung der Kunstgewerbe-Halle eine ins Auge fallende künstlerische Decoration durch ein mächtiges Bild in Glasmosaik zu geben beschloß, das nun seinen Platz an der Hauptwand des Raumes gefunden hat und in allegorischer Darstellung das Aufblühen des heimischen Kunstfleißes unter dem Schutz des Friedens versinnlicht. Die Gesammtcomposition, die sich auf goldschimmerndem Grunde in reichen Farben entfaltet, gliedert sich in ein im Flachbogen geschlossenes Mittelbild von etwa 50 und in zwei kleinere rundbogige Seitenfelder von je 5 Quadratmtr. Fläche. Auf dem ersteren tritt zwischen knorrigen, grünbelaubten Eichenstämmen, vor denen Lilien emporsprießen, als breitbeflügelte Hauptfigur, die eine Hand segnend erhoben, in der anderen die Palme haltend, der deutsche Michael als Friedensgenius hervor. Hinter ihm erblickt man tief im Grunde eine hochgethürmte Stadt; über ihm aber wölbt sich in flammenden Linien der Regenbogen zur Erde nieder und umspannt seitwärts die dort angeordneten Gruppen der über dem Werk sinnenden Meister und des kunstfertigen Handwerkers, der das vollendete Stück dem die Werkstatt aufsuchenden Patricierpaar darbietet. die bei der Arbeit sitzenden, gleich jenen anderen in die Tracht der Renaissance gekleideten Gestalten eines Buchbinders und einer Stickerin füllen dazu die begleitenden Seitenfelder. Auf unserer Väter Art und Thun ist in diesen Figuren und Gruppen hingewiesen und damit auf die Quelle, aus der das wiedererwachende Kunsthandwerk bei uns seine erste Nahrung sog.

   Für das schnell anzufassende und schnell zu vollendende Werk riesigen Umfangs hatte man in dem jetzt in Potsdam ansässigen berliner Maler Max Koch den rechten Meister gefunden. Von den großen Panoramen, in denen er Pergamon, den Brand Roms und die Sintflut schilderte, von seinen Fresken im Rathaus zu Lübeck und von einer langen Reihe sonstiger umfangreichen Schöpfungen decorativer Malerei weiß man, daß nur wenige andere an erstaunlicher Arbeitskraft mit ihm zu wetteifern vermögen. So ward denn auch hier Carton und Farbenskizze bereits in kürzester Frist der Deutschen Glasmosaikgesellschaft Puhl u. Wagner zu Rixdorf übergeben, die für die Ausführung allein in Betracht kommen durfte und in der ihr zufallenden Leistung nun hinter dem entwerfenden Künstler kaum zurückstand. Unter Heranziehung von etwa 30 gründlich eingeübten Arbeitskräften gelang es ihr, die drei Tafeln, bei denen gegen 600 000 Steinchen aus dem farbigen Glaspasten zu schlagen und den Linien und Tönen der Vorlage entsprechend zusammenzufügen waren, in einer Zeit von sechs Wochen fertigzustellen. sodaß die ganze Arbeit Mitte Februar d. J. im berliner Kunstgewerbe-Museum vorgeführt und alsbald, wieder in einzelne Theile zerlegt, nach Paris abgesandt werden konnte.
   Nicht bloß mit diesen Koch´schen Compositionen wird die genannte Werkstatt in Paris vertreten sein. Als eins ihrer neusten Hauptwerke stellt sie den von Spitta in romanischen Formen entworfenen achtseitigen, von eine Bronzekuppel bedeckten, innen aber mit reichem Glasmosaik ausgelegten Brunnen aus, der als Geschenk des Deutschen Kaisers an den türkischen Sultan vor der Hagia Sophia zu Konstantinopel seinen Platz finden soll, sodaß dort neben frühsten Erzeugnissen der Mosaikkunst die modernsten zu sehen sein werden. Dazu gesellt sie die Wiederholung zweier Lunettenbilder aus der reizvollen Decoration des prächtigen Badezimmers, das sie nach dem Entwurf von A. Bembé für Schloß Beggen ausführte, eine neue Darstellung des thronenden Christus aus San Marco in Venedig, mit dessen Nachbildung sie 1890 zum ersten mal an die Oeffentlichkeit trat, sowie noch andere interessante Stücke, von denen ein Porträt Kaiser Wilhelm´s II. seine Stelle im deutschen Hause erhalten hat. Vor einer weiten Oeffentlichkeit wird die Deutsche Glasmosaikgesellschaft damit den Erfolg darthun, den ihr mühevolles Beginnen, die monumentale Technik des Glasmosaiks aus Venedig, wo Salviati sie neu belebte, nach Deutschland zu verpflanzen, in ausdauernder Arbeit allmählich sich errungen hat. War in der Zeit nach den ersten Versuchen, die 1888 begannen, oft genug die bange Sorge in der Werkstatt heimisch, so blickt diese heute auf Hunderte von Ausführungen kleineren und größeren Umfangs für Kirchen und Friedhöfe, für öffentliche und private Gebäude jeder Art zurück. In altüberlieferten und in modernsten Stilformen, in monumentalen und in reichen figürlichen Compositionen hat sie gearbeitet, bis nach Luxemburg und Rotterdam, nach Jerusalem und Tokio Zeugnisse ihres Kunstfleißes geliefert und steht gegenwärtig vor einer Fülle neuer Aufträge, die auf Jahre hinaus ihre Kräfte in Anspruch nehmen. Fd.

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